Kriegsende 1945: Filmreife Action um die "Bridge at Telfs"

Der 3. Mai 1945 war ein dramatischer Tag für Telfs: Amerikanische Truppen besetzten die Marktgemeinde, die NS-Herrschaft im Ort ging zu Ende. Am Vortag waren Einheiten der 103. US-Division von Bayern kommend bis Seefeld vorgedrungen und rückten weiter über den Zirler Berg Richtung Innsbruck vor. Parallel dazu unternahmen die Amerikaner einen Vorstoß an der Flanke mit dem Ziel, die von deutschen Pionieren zur Sprengung vorbereitete Innbrücke von Telfs einzunehmen und zu sichern.

casonGeorge Cason als junger US-Soldat und Jahrzehnte später mit seinem Sohn auf dem Telfer Innsteg, wo einst "seine" Brücke stand.

Vor 80 Jahren...

Nach dem Krieg behauptete etwa ein halbes Dutzend Telfer, die Brücke gerettet zu haben. Es ist durchaus glaubhaft, dass Einheimische versuchten, die deutschen Soldaten, die an der Brücke auf den Befehl zur Sprengung warteten, von ihrem Vorhaben abzubringen. Doch scheinen diese Bemühungen nicht viel Erfolg gehabt zu haben. Entscheidend dafür, dass der wichtige Innübergang nicht zerstört wurde, war vielmehr ein filmreifer Handstreich, den eine kleine Gruppe von US-Soldaten genau vor 80 Jahren unternahm.

„Der Schlüssel für Innsbruck“

Im Jahr 1995 schilderte ein Beteiligter der Aktion in einem Interview seine Erinnerungen an die Ereignisse rund um die „Bridge at Telfs“. Der inzwischen verstorbene Texaner George Cason gehörte zur F-Kompanie des 409. Regiments, die am Abend des 2. Mai den Auftrag erhielt, von Mösern nach Telfs vorzurücken. Unsere Fotos zeigen Cason als jungen Soldaten und Jahrzehnte später bei einem Besuch mit seinem Sohn auf dem Innsteg von Telfs. „Ich war damals 20 Jahre alt und wusste natürlich nicht über alle Details Bescheid. Doch eines hatte man uns gesagt: Die Brücke von Telfs sei der Schlüssel für Innsbruck“, erinnerte sich Cason. Ziel der Amerikaner war es nämlich, auf die südliche Talseite zu gelangen, um auch von dort gegen Innsbruck vorzurücken. Allerdings gab es schon am Beginn des Abstieges auf der verschneiten Möserer Straße ein Problem. George Cason: „Die begleitenden Panzer blieben in einem Krater stecken, den die Deutschen in die Straße gesprengt hatten. Über Funk kam aber der Befehl: Ohne Panzerunterstützung zu Fuß weiter!“

Abenteuerliches Unternehmen

Es war ein abenteuerliches Unternehmen, ohne schwere Waffen und Flankensicherung viele Kilometer weit ins „Feindesland“ vorzustoßen. Das war nur möglich, weil sich in Telfs zwar viele deutsche Soldaten befanden, die meisten davon jedoch wenig motiviert waren, so kurz vor Kriegsende noch den Helden zu spielen. Hatte das Radio doch bereits den Tod Hitlers in Berlin gemeldet. Die ins Tal geschickte US-Kompanie erreichte Telfs noch bei Dunkelheit und setzte sich beim „Spital“ im heutigen Wiesenweg fest. Im Morgengrauen wurde dann ein 15 Mann starker Stoßtrupp losgeschickt, zu dem auch Cason gehörte. Die US-Soldaten pirschten sich über die Felder und dann den Innauen entlang an die Brücke heran, die von zwei deutschen Posten bewacht wurde.

Eine Brücke über einen FlussDie imposante alte Telfer Innbrücke - erbaut 1905, umkämpft 1945, abgebrochen 1980.

Verrückte Idee

Was dann geschah, schilderte Cason so: „Unser Anführer Sergeant Philip Elbert hatte eine wirklich verrückte Idee. Er stand aus der Deckung auf, ging ruhig auf den Wachposten auf unserer Seite der Brücke zu und sagte auf Deutsch: „Der Krieg ist fertig!“ Der Soldat schaute ihn mit großen Augen an und antwortete nach einer Schrecksekunde: „Gott sei Dank!“. Dann übergab er dem Sergeanten sein Gewehr. Elbert begann eine Plauderei mit dem Deutschen, damit unsere Pioniere genügend Zeit hatten, die Sprengladungen an der Brücke unschädlich zu machen und die Zündkabel zu kappen.“

Schüsse über den Inn hinweg

Das gelang noch rechtzeitig, bevor der Posten am anderen Ende der Brücke merkte, was sich auf der Telfer Seite abspielte. Dass er auf die Amerikaner schoss, machte die Sache noch einmal gefährlich, denn dadurch wurden auch andere Deutsche in der Nähe alarmiert. Es entwickelte sich über den Inn hinweg mit einigen dort aufgescheuchten SS-Soldaten ein Schusswechsel, der bis in den Vormittag hinein andauerte. Ein Amerikaner wurde dabei leicht verwundet. Allerdings kamen bei der Schießerei zwei Zivilisten, die zwischen die Fronten gerieten, ums Leben. Mit den Deutschen auf der Telfer Seite hatten die US-Soldaten keine größeren Probleme. Die im „Gasthof zur Brücke“ einquartierten Wehrmachtsangehörigen ergaben sich widerstandslos oder flüchteten. Einige von ihnen holten die Amerikaner laut Cason unter den Betten hervor, wo sie sich versteckt hatten.

Verstärkung trifft ein

Die kritische Situation für den Stoßtrupp dauerte nicht lange, denn bei den ersten Schüssen stieß die ganze Kompanie, die beim „Spital“ gewartet hatte, zur Brücke vor. Und im Lauf des Vormittages kamen, nachdem die Möserer Straße wieder befahrbar war, weiter US-Einheiten in den Ort. Telfs war endgültig in der Hand der Amerikaner. Die militärische Bedeutung der Telfer Innbrücke war zu diesem Zeitpunkt aber längst nicht mehr so groß wie noch am Vortag. Denn die Amerikaner waren inzwischen am Zirler Berg durchgebrochen und zogen ebenfalls noch am 3. Mai in Innsbruck ein.

Wo ist die alte Brücke?

Für George Cason war die Einnahme der Telfer Innbrücke ein aufregendes Erlebnis und eine markante Erinnerung aus seiner Militärzeit. Zweimal reiste er als älterer Mann auf den Spuren seiner Kriegsvergangenheit nach Europa. Doch als er 1982 zum ersten Mal wieder nach Telfs kam, war er enttäuscht: Er fand am Inn nur mehr einen bescheidenen Fußgängersteg vor. Die mächtige alte Brücke mit ihren imposanten Eisenbögen, die er und seine Kameraden erobert und damit gerettet hatten, war zwei Jahre zuvor abgebrochen worden. Doch die „Bridge at Telfs“ lebte noch lange in seiner Erinnerung.