Die Schlosskrotn

Bald nach dem Verfall des Schlosses Eben bei Moritzen hausten in dessen Ruinen viele Venedigermännchen, die immer nachts ihre Gold- und Edelsteinkisten von einer Ruine zur anderen schleppten.

Ein altes, recht geiziges Weiblein ging nun einmal spätabends vom Feld heim, gerade, als die Männlein mit ihren Schätzen herumhuschten. Der Zufall wollte es, dass einem Männlein eine Geldkiste aus den Händen schlüpfte, den Abhang hinunterkollerte und vor dem Weiblein zu liegen kam. Dieses nahm die Geldkiste, guckte hinein und sah lauter Goldmünzen. Rasch Schloss sie den Deckel, nahm die Kiste unter den Arm und eilte heim.

"Weibele, Weibele, stell die Kiste hin,
es sein lei d'Schlosskrotn drin!" schrien ihr die Venediger nach, aber das Weiblein lachte nur höhnisch und eilte heim, obwohl ihr Kröten, Schlangen und Nachteulen den Weg verlegten.

Zu Hause angekommen, nahm sie ihre letzten ersparten Kreuzer, kaufte sich ein gutes Süpplein, ein saftiges Bröckl Fleisch und eine Maß Wein. Nach dem Essen wollte sie das Gold zählen. Als ihr alles vortrefflich gemundet hatte, verschloss sie Tür und Tor ihrer Keusche in der "Ritterburg" am Weißenbachplatz und bei Wachsstocklicht wurde die Kiste geöffnet.

Kaum hatte sie den Schlüssel herumgedreht, sprang auch schon das Schloss auf. Als sie aber den Deckel öffnete, fiel sie vor Schreck fast vom Stuhl. Nichts war zu sehen vom gleißenden Gold, nichts von den klingenden Münzen, wohl aber krochen auf dem Boden der Kiste drei große, häßliche Kröten herum; die glotzten nach oben, als wollten sie dem geizigen Weib ins Gesicht hüpfen; sie verbreiteten noch dazu einen so fürchterlichen Gestank, dass das Weiblein für diese Nacht aus dem Hause gehen musste.

Sooft die Gefoppte nun an den Ruinen von Eben vorbeiging, hörte sie ein Kichern und Lachen, und selbst die Grillen hörten auf zu zirpen und schlüpften in ihren Bau.


Quelle: Mei'r Huamat, Marktgemeinde Telfs, 1997
© Der Text wurde dem Buch "Mei'r Huamat" entnommen. Alle Rechte liegen bei der Marktgemeinde Telfs. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.